Italien: AGCOM kritisiert Glücksspiel-Werbeverbot

Die italienische Aufsichtsbehörde für das Kommunikationswesen, AGCOM (Autorità per le garanzie nelle comunicazioni), hat das totale Glücksspiel-Werbeverbot des Landes scharf kritisiert. Das vor einem Jahr in Kraft getretene Gesetz zeige keine Wirksamkeit zur Bekämpfung von Spielsucht und gefährde außerdem die Sport- und Medienindustrie. Hier ein Überblick zu den Entwicklungen.

Der italienische Wirtschaftsminister Luigi Di Maio (MoVimento 5 Stelle).

Trotz aller Kritik hält Italiens Wirtschaftsminister Luigi Di Maio (33) weiter an dem Werbeverbot fest. (©flickr)

Millionenschwere Verluste in der Serie A

Seit Juni 2018 gilt in Italien bekanntlich eines der strengsten Werbeverbote für Glücksspiel-Produkte der Welt. Die Etablierung des Gesetzes wurde durch den amtierenden Wirtschaftsminister Luigi Di Maio (5-Sterne-Bewegung) maßgeblich mitvorangetrieben und von der Opposition seitjeher umfassend kritisiert. Aktuell hat sich nun auch die italienische Aufsichtsbehörde AGCOM eingeschaltet und eine Aussetzung des stringenten Verbots in der Tageszeitung Corriere della Sera gefordert. Das Verbot würde erstens nicht zur Suchtprävention beitragen, zweitens den unregulierten Markt bestärken und drittens nachhaltig die Sport- und Medienindustrie schädigen.

Wie von der AGCOM sowie mehreren Sportzeitungen dargelegt wird, leidet zurzeit vor allem die höchste italienische Profifußballliga Serie A unter dem Werbeverbot. Demnach entgehen den italienischen Spitzenteams durch den Wegfall von Glücksspielpartnerschaften zwischen 100 und 150 Mio. Euro pro Jahr . Außerdem werde die Liga gegenüber anderen großen europäischen Ligen, zum Beispiel der Primera Division (Spanien) oder Premier League (England), benachteiligt.

Verbot gilt auf allen Ebenen

Die Gesetzesnovelle trägt den Titel Decreto Dignitá (z. dt. Dekret der Würde) und wurde in zehn sozioökonomische Kategorien unterteilt, die zum Wohl der Bürger Italiens beitragen sollen. Eine der besagten Kategorien umfasst dabei die Regulierung des inländischen Glücksspielsektors und wurde im Artikel 8 unter dem Titel „Maßnahmen zur Spielsuchtbekämpfung“ zusammengefasst. Als Hauptmaßnahme wird an dieser Stelle ein totales Glücksspiel-Werbeverbot propagiert.

Infolge der Inkraftsetzung ist es sowohl italienischen Fernseh- und Radiosendern als auch Onlinediensten und sozialen Netzwerken untersagt, Werbung für jede Art von Glücksspiel zu schalten. Wie bereits angedeutet sieht das Gesetz darüber hinaus vor, dass italienische Sportvereine auf etwaige Sponsoring-Deals mit Wettanbietern verzichten müssen .

Medienanstalten sind betroffen

Laut AGCOM ist längst nicht nur der Sportsektor von dem drastischen Verbot betroffen, sondern auch die italienischen Medienanstalten. Vielen der nationalen TV- und Radiosender sei infolge des Verbots „eine unmittelbare Einnahmequelle“ abhandengekommen. Außerdem seien die Sender auch in diesem Fall gegenüber anderen Unternehmen benachteiligt , die ihren Sitz zwar im europäischen Ausland haben, aber dennoch in Italien senden.

AGCOM bezieht sich in diesem Punkt insbesondere auf die „EU-Richtlinie 2018/1808 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste“. Der Abschnitt regelt die Grundsätze der EU-weiten Werberichtlinien und besagt unter anderem, dass ein völliges Werbeverbot gegen ein bestimmtes Produkt oder einen bestimmten Industriezweig nur dann gesetzeskonform ist, „wenn es gerechtfertigt, verhältnismäßig und notwendig ist“. Diese Grundsätze sind laut AGCOM mit Blick auf das Werbeverbot jedoch nicht gegeben, da die formulierten Ziele der Novelle nachweislich verfehlt wurden .

Verbot stärkt unregulierten Markt

In Bezug auf das italienische Glücksspiel-Werbeverbot sieht die AGCOM obendrein ein großes Problem in der Bestärkung des illegalen Glücksspielmarktes, womit sie die Vorwürfe der Opposition unterstützt, die bereits vor der Inkraftsetzung der Novelle laut wurden. Italienische Glücksspielkunden können demnach nicht mehr zwischen lizenzierten und irregulären Anbietern unterscheiden .

Laut AGCOM fällt durch das Verbot somit die Möglichkeit weg, die Kunden durch gezielte Reklamen zu seriösen Anbietern zu locken . Spielerschutz könne auf diese Weise nicht gewährleistet werden, so der Vorwurf. Außerdem haben frisch-lizenzierte Anbieter oder gänzlich neue Unternehmen am Markt infolge des Verbots „keine Chance mehr“ sich seriös in Italien zu etablieren.

Dies wirke sich wiederum negativ auf die Belegschaften der Branche aus: Demnach werden in Italien durch reguliertes Glücksspiel inzwischen über 300.000 Arbeitsplätze generiert. Wenn die betroffenen Arbeitsplätze der Medienanstalten dazu addiert werden, sind unter dem Strich über eine halbe Million Menschen von der strengen Gesetzgebung direkt oder indirekt beeinträchtigt.

AGCOM geht außerdem von einem Rückgang des Bruttoinlandsproduktes (BIP) aus: Laut aktuellen Daten hat die Glücksspielbranche dem Staat Italien allein im letzten Jahr 10 Mrd. Euro Steuern eingebracht. Zudem generierten die Spiel- und Wettumsätze ganze 1,0 Prozent des BIPs.

Hauptziele wurden nicht erreicht

Unter Berücksichtigung aller genannten Kritikpunkte fordert die AGCOM daher eine sofortige Aussetzung des Verbots. Die Behörde betonte in diesem Zusammenhang mit Nachdruck, dass das erklärte Hauptziel der Gesetzesnovelle, die Eindämmung von Spielsucht, nach über 12 Monaten nicht erreicht wurde . Problematische Spieler fänden besonders im Internet ohne Schwierigkeiten Wege, dem Spielen nachzugehen. Diese Tatsache ließe sich durch strikte Verbote nicht bekämpfen.

Außerdem habe die Regierung den Hauptgrund für Spielsucht bei der Erarbeitung der neuen Regeln nicht berücksichtigt – die Rede ist von hunderttausenden illegalen Spielautomaten in den Bistros, Pubs und kleineren Wettbüros des Landes . Ein Kommentar von Seiten der italienischen Regierung zu der Kritik steht bis dato noch aus. Die weiteren Entwicklungen bleiben vorerst abzuwarten.

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